Gottschalk und die fehlende Dankbarkeit

Das waren noch Zeiten, als alle zusammen vor einem TV sassen, man guckte z.B. „Wetten dass…?“ Showmaster war er, immer sprühend vor Energie, Kleidung aus der Theaterrequisite, glaubte ich, eben Gottschalk Style.

Nun 75 Jahre alt, legte er zwei unverständliche Auftritte hin, sagte, wie ihm geschah, nur seine Frau kannte die Hintergründe, Krebs, Starke Nebenwirkungen von Schmerzmedis seien der Grund, so erzählte er, Gottschalk, der Bild und damit wiederholens 20 Min. und Blick.

Wie soll sich ein Mensch vorstellen können, was schwere Operationen bedeuten, dann Schmerzmedis, was klar hilft. Aber der Körper muss heilen, man spürt nicht mehr jedes schmerzhafte Detail, was klar Energie zieht.

Bloss, währen die Pillen ihren Dienst tun, der Körper hat dennoch zu tun, Menschen nicht vom Fach und solche vom Fach ohne Eigenerfahrung können nicht helfen.

In den eigenen vier Wänden gings gut, Gottschalk schien der Alte zu sein, witzig, humorvoll lachend, aber an den Empfängen, wo er Kurzauftritte hatte, fiel ihm die Decke auf den Kopf. Geht so, kenne ich, ohne Vorwarnung und die Luft ist draussen.

Ich vermeide meine schlechten Auftritte, die ich nach Jahren in- und auswendig kenne und trotzdem triffts selbst in meinen vier Wänden ab und zu ein, dass ich unzufrieden bin mit meiner Tagesleistung, mehr Liegen und repetitive Tätigkeiten tue, als ich mir zugestehen will.

Nun irgendwann, halte ich mich zurück mit noch mehr Leistung verlangen, als realistischerweise drin liegt

Nein, eine Gebrauchsanweisung wird zum menschlichen Körper nicht geliefert, es hilft die eigenen Signale zumindest selbst lesen und interpretieren zu können. Geht mir einfach alles und jedes, gerade das, was mir normalerweise Spass macht auf den Wecker, dann ausruhen, liegen, lesen, PC Spiele.

Termine nur noch morgens, egal, was die ganze Menschheit dazu meint.

Solches fällt nicht mit zwei OPs vom Himmel. Im Gegenteil, wenn Gottschalk hoffentlich lange hauptsächlich gesund war, woher sollte er es können? Er lernte Menschen unterhalten und meine Generation fieberte mit. Diese unmöglichen Wetten, was denen alles in den Sinn kam!

Selbst bei Samuel Koch guckte ich live mit. Dann wars gegessen. Sowas steckte ich nicht weg, behindert ab Geburt. Da hört der Spass auf.


Nachtrag 8. 12. 25: Gottschalk hatte seinen letzten Auftritt, verliess die Show um 22.15, die danach noch zwei Stunden mit zwei ModeratorIn weiterlief.

In der Zwischenzeit liess er via Medien bekannt machen, je später der Tag, desto mehr Nebel im Kopf.

Er, der mit „Wetten dass…..?“ Sendezeit regelmässig überzog, der früh sich Verabschiedende und Blick fragt nochmals, was wir nun vermissen würden, wenn Gottschalk in Rente gehe?

Ja, was ists? Definitiv ist was. Bloss kann man dieses „Was da ist“ in Worte fassen? Sah nicht jede Generation in Gottschalk was anderes?

Während Gottschalk früher die gesellschaftlichen Grenzen übertratt, wir sassen zwei Generationen ich, meine Elterngenerationen vor dem TV, wohlerzogen, meine Eltern noch strenger als ich, der Konsens immer, was Gottschalk im TV darf, inszeniert, es bricht die Grenzen des Anstandes, es ist TV, das wahre Leben ist anders, viel strenger sind die gesellschaftlichen Regeln, was Gottschalk darf, man nehme es sich nie zum Vorbild, aber es ist gut gemacht, TV eben.

Weit weg sind die Anfänge, die Gesellschaft ist so verroht, Gottschalk ist nicht mehr die grosse Ausnahme und darum wars lustig.

Gottschalk wurde schon tituliert als „alter, weisser Mann“ sein Humor sei aus der Mode gekommen, frauenfeindlich, er habe sich angebiedert, Berührungen seien nicht i. O. gewesen etc., etc.

Einerseits diese Verrohung, andererseits dieses moralinsauer, nicht stehen lassen wollend, was früher halt so war. Garantiert Neid auf eine vergangene Epoche, eine andere, längst verklärte Zeit. Wer hätte sich lebend in der Zeit vorstellen können, was man „kalten Krieg “ nannte, sei im Rückblick als „lange, stabile, friedliche Epoche, ja fast ein paradiesischer Zustand gewesen, den man sich wenige Jahrzehnte später zurückwünschen wird?

In Echtzeit, der kalte Krieg war angstbesetzt, die Angst vor einem Atomschlag. Dann friedliche Nutzung Atom als Atomkraftwerk, bloss, so ungefährlich, wie anfänglich behauptet, wars doch nicht. Umweltverschmutzung, demokratisches Ringen um Konsens, die Seen und Gewässer sind längst sauberer geworden.

Jede Zeit, jedes Jahrzehnt wird durchlebt von Freude, Unterhaltung, viel Arbeit und Alltag, Normalität und den Schrecken. Im Rückblick erst kommt eine Neuinterpretation, weil neue Zeit wird erlebt, ein anderes Gefühl.

Philosophische Fragen, politische Kriterien und die Urfrage bleibt, was ist die Essenz des Wirkens eines Showmasters und was trägt er unwiderruflich weg mit seinem letzten Abgang von der Bühne? Garantiert die eigene Jugend, das produktive Erwachsenenalter. Gottschalk geht mit 75 in Rente, oh Schreck, oh Schreck, er war immer bloss acht Jahre älter als z.B. ich

Die eigene Sterblichkeit wird zum Thema, zumal er wegen Krankheit abtritt. Das Gefühl: Die Zeit läuft, auch das Kapitel „Showmaster Gottschalk“, die eigene Verrentung viel früher, es ist abgeschlossen.

Gottschalk, es gibt ihn wie so vieles, nur noch in der Erinnerung.